Entdeckungen in der Aufsteigerregion Remstal

© Württemberger Wein - WW Weinvertrieb GmbH

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Kenner bezeichnen das Remstal als eine Aufsteigerregion im deutschen Weinbau. Wo früher der Trollinger dominierte und anspruchsvolle Weingenießer meinten, die Region befinde sich auf einer Talsohle der Qualität, sind heute Weingärtner aktiv, die zur deutschen Spitzenklasse gehören. Auf dem 22. Weintreff in der Alten Kelter in Fellbach gaben sie sich am 3./4. Februar ein Stelldichein mit etlichen Produzenten, die in dieser Region zunehmend ebenfalls Akzente setzen.

Die Sortenvielfalt ist spannend. Auch dem nach wie vor gut verbreiteten Trollinger ringt man immer häufiger durch Maischegärung und Ausbau im Holzfass interessante Weine ab, die durchaus Hochachtung hervorrufen. Mit verantwortlich dafür sind neben Platzhirschen wie die VDP-Mitglieder Aldinger, Schnaitmann, Heid, Haidle und Ellwanger (Jürgen) auch die ambitionierten Genossenschaften von Fellbach sowie die zwei Stuttgarter Kooperativen Weinmanufaktur Untertürkheim und Collegium Wirtemberg. Und weil es im Remstal zudem eine Reihe förmlich unter Strom stehender Jungwinzer gibt, sind auch echte Entdeckungen möglich. Nachfolgend eine kleine Bestandsaufnahme.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Sorte Sauvignon Blanc auf breiter Front im Remstal angekommen ist. Die Rebe hat im Ländle Tradition unter dem alten Synonym Muskat-Sylvaner. Aber sie wurde bei der Neuordnung des deutschen Weinrechts 1971 versehentlich nicht klassifiziert und durfte somit bis vor knapp 20 Jahren nicht angebaut werden. Heute können eine Reihe Remstäler Produzenten stimmige Sauvignon Blanc vorweisen – und sogar Mutanten. Bei Wolfgang Klopfer (Großheppach) überzeugte ein eleganter Sauvignon gris.

"Schwäbischer Champagner"

Dass Sekt im Remstal inzwischen Bedeutung hat, wurde in einem Spezial mit Sektvariationen demonstriert. Die Prickler (überwiegend im Geschmack brut oder sogar brut natur, also knochentrocken) lagen teilweise lange auf der Hefe. Trotz traditioneller Flaschengärung waren die Preise von knapp 10 bis weniger als 20 Euro im Vergleich mit Champagner moderat. Bei einem Riesling-Sekt war „methode champenoise“ vermerkt. Der Winzer (wir verraten ihn nicht) lebt gefährlich. Denn diese Deklaration ist schon seit etlichen Jahren nicht mehr für schäumenden Wein außerhalb der Champagne zugelassen.

Begegnungen

Zu vermelden ist die Wiederbelebung einer Partnerschaft. Andy Knauß aus Strümpfelbach und Dr. Rainer Scholz, ein Nordlicht und Seiteneinsteiger, wurden mit dem Weingut „Parfum der Erde“ nach einer kleinen Ruhephase wieder aktiv, mit ungewöhnlichen Weinen wie dem Müller-Thurgau 2016, der schmeckt wie ein guter Riesling. Das war auch bei einem echten Riesling (2016 „Sandhase“) der Fall, obwohl ihn die Brüder Siegloch aus Winnenden auf der Maische stehen ließen und ihm eine sanfte Oxidation vergönnten. Als konsequenter Bio-Winzer entpuppte sich Achim Stilz vom Weingut im Hagenbüchle (Schnait). Mehr als die Hälfte seiner 4,5 Hektar sind mit Piwis wie Johanniter und Cabernet Blanc bestockt, die knackige, herzhafte Weine liefern.

Kleines Weingut ganz groß

Einen guten Auftritt hatte eines der kleinsten und jüngsten Weingüter Deutschlands. Claudia Frank und Hagen Dorn eröffneten das Weingut Sterneisen in Grunbach offiziell erst im September 2017. Ein Jahr vorher wurden die ersten Weine von damals gerade 0,5 Hektar erzeugt. Inzwischen kam ein Hektar dazu. Die beiden sind nebenbei berufstätig. Claudia hat in Sachen Wein familiären Hintergrund. Die gelungenen Weine tragen Namen wie Herkunft (Riesling), Heimat (Lemberger) und Tradition (ein Trollinger-Prachtstück). Noch weniger Rebfläche kann das Weingut Strauß(Schnait) vorweisen, nämlich lediglich 0,4 Hektar, die im Nebenerwerb betrieben werden. Das Preis-Wert-Verhältnis des Mini-Betriebes ist sensationell. Tipp: eine weiße Cuvée „Sträußle“ für 4,60 Euro.

Fantasievolle Namensgebung

Auch andere Betriebe warten mit neugierig machenden Bezeichnungen auf sich aufmerksam. Zum Beispiel Konrad Häußer aus Winnenden-Höfen, bei dem der saftige Riesling „Instinkt“ genannt wird und eine rote Cuvée „Edition Mops“ heißt. Dahinter steckt die Geschichte eines Vierbeiner, der anno 1717 sein Herrchen Carl Alexander, dem späteren Herzog von Württemberg, in eine Schlacht gegen die Türken begleitete. Als er ihn bei Belgrad verlor, rannte das Tierchen in nur elf Tagen nach Hause – wo dem kleinen Hund ein Denkmal gesetzt wurde.

„Gold“ ist in einem Gundelsbacher Weingut keine Bezeichnung. Leon Gold kokettiert natürlich ein bisschen mit seinem groß auf den Etiketten prangenden Namen. Aber man holt sich hier im übertragenen Sinn schon Gold ins Glas (Riesling, Spätburgunder, Portugieser). Anders ist es beim Weingut Kern aus Kernen-Rommelshausen. Hier heißen die besten Weine des Hauses (z.B. Grauburgunder, Chardonnay) ergänzend „Gold“. „Blau“ steht für die Mittelklasse. Die Basislinie wird „Streif“ genannt, aber nicht, weil der Winzer schon mal die Kitzbüheler Streif auf Skiern bezwang, sondern wegen der blauweißen Streifen auf den Etiketten. Ebenfalls mit Gold hantiert das Weingut Escher aus Schwaikheim. Hier werden die Spitzenweine „Goldreserve“ genannt.

Wenn „Diego“ auf dem Etikett steht, wie bei einem gradlinigen Riesling von Mödinger aus Strümpfelbach, dann ist das keine Hommage an Fußball-Legende Maradonna, sondern an einem Knaben im Haus, genau wie beim saftigen Rosé „Luis“. Und „Slow“ steht für einen immer noch frischen, komplexen 2010er Riesling, der einem gemeinsamen Projekt der Weingüter Bader (Kernen-Stetten) und Singer (Korb) mit der Vereinigung Slow Food Ulm entsprang.

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